Phil Wilson ist Vice President der Ads-Marketing-Abteilung bei Google und verantwortlich für Europa, den Nahen Osten und Afrika. Er leitet ein Team aus führenden Marketingexpertinnen und -experten, Forscherinnen und Forschern sowie Analystinnen und Analysten, die an der Spitze der Marketing- und KI-Innovationen arbeiten.
2025 hat erneut gezeigt: Das Tempo des technologischen Fortschritts ist so hoch wie nie. Auch das kommende Jahr verspricht weitere Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) und technologische Durchbrüche. Das verändert, wie wir mit der digitalen und realen Welt interagieren. Und natürlich auch, wie Unternehmen ihre Kundinnen und Kunden erreichen.
Inmitten des technologischen Fortschritts bleibt eines jedoch unverändert: Menschen sind ständig auf der Suche nach Antworten, Lösungen, Produkten und Austausch. Dabei wechseln sie nahtlos zwischen vier zentralen Verhaltensweisen: suchen, streamen, scrollen und shoppen.
Auf unseren Plattformen geschieht dies in enormem Ausmaß: 83 Prozent der Konsument*innen weltweit nutzen Google oder YouTube täglich – deutlich mehr als andere Online-Plattformen.1 Diese Reichweite und die daraus gewonnenen Einblicke ermöglichen es unserer KI, die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer besser zu verstehen.
KI ist zu einem leistungsstarken Werkzeug geworden, das uns hilft, die Absicht von der ersten Inspiration bis zur Kaufentscheidung zu verstehen – von einer allgemeinen Suchanfrage zur Inspiration bis hin zu einer spezifischen Produktfrage auf YouTube.
Auf Basis dieser Erkenntnisse haben unsere Google-Expertinnen und -Experten wichtige Marketing-Trends und -Prognosen für 2026 zusammengestellt. Sie zeigen dir, wie du in den entscheidenden Momenten präsent sein kannst.
Menschen priorisieren ihr unmittelbares Wohlbefinden
Da die Zukunft durch anhaltende Unsicherheiten so schwer planbar ist, treten langfristige Ziele vermehrt in den Hintergrund. Konsumentinnen und Konsumenten fühlen sich von dieser Unsicherheit zunehmend belastet. Sie reagieren darauf, indem sie den Dingen Priorität geben, die ihr Wohlbefinden sofort steigern – zum Beispiel unmittelbaren Belohnungen und neuen Erfahrungen.
Dieser Wandel ist eine logische Reaktion auf eine Welt, in der klassische Lebenswege nicht mehr garantiert sind. Gerade für jüngere Generationen, die ständig Krisen erleben, wirkt das Sparen auf ein Haus unrealistisch. Eine Reise, die sofort Freude bringt, erscheint ihnen wichtiger. Dabei geht es nicht um Leichtsinn, sondern darum, sich ein kontrollierbares Erfolgserlebnis zu sichern. Diese sofortige Freude gibt ein Gefühl von Fortschritt und Stabilität, das die ferne, unsichere Zukunft nicht bieten kann.
British Airways hat dies erkannt und sein Avios-Treueprogramm überarbeitet. Anstelle von großen und fernen Zielen führte die Fluggesellschaft schneller erreichbare, kleinere Meilensteine ein. Dadurch erhalten die Mitglieder regelmäßig kleinere Belohnungen, die ihnen spürbaren Fortschritt vermitteln und ihnen das Gefühl sofortiger Wertschätzung geben.
Was das für 2026 bedeutet? Konzentriere dich auf den sofortigen Mehrwert. Verkaufe nicht nur das ferne Endziel, sondern mache die kleinen Schritte auf dem Weg dorthin zu einem eigenen, lohnenden Erlebnis. Das gelingt, indem du Treueprogramme und Customer Journeys in kleinere Zwischenziele herunterbrichst, die eine sofortige Befriedigung bieten. 2026 werden die Marken erfolgreich sein, die im Hier und Jetzt für spürbaren Fortschritt und kleine Glücksmomente sorgen.
KI verändert das Konsumverhalten
KI verändert das Konsumentenverhalten grundlegend: Menschen fragen heute nicht mehr nur Informationen ab, sondern entdecken Themen dynamisch. In neuen Sucherlebnissen wie dem KI-Modus führen sie dabei ganze Dialoge. Sie kombinieren Text, Bilder und Audio und erkunden Themen so tief wie nie zuvor.
2026 wird die Interaktion mit KI selbst zur kreativen Leinwand. Konsumentinnen und Konsumenten nutzen Tools wie Geminis Nano Banana und Veo 3, um ihre Ideen direkt zum Leben zu erwecken. Und sie erwarten von Marken ebenfalls greifbare, visuelle Antworten. Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigt das Kreativ-KI-Tool von Ikea: Nutzerinnen und Nutzer scannen damit ihre Räume und können vorhandene Möbel virtuell gegen Ikea-Produkte austauschen.
Marketer passen sich an, indem sie auf „Generative Engine Optimization“ setzen. Das bedeutet: Sie erstellen ein umfassendes Ökosystem an vielfältigen, verlässlichen Inhalten, die KI-gestützte Dialogsuchen optimal bedienen. Das Ziel ist nicht mehr, auf bestimmte Keywords für einzelne Kampagnen zu bieten. Stattdessen versorgen sie KI-gestützte Suchkampagnen mit einer Bibliothek hochwertiger Assets. Die KI nutzt diese, um Anzeigen passgenau auf jede Nutzeranfrage anzupassen.
Mit diesem Ansatz ist deine Marke 2026 nicht nur ein Wegweiser im Entdeckungsprozess, sondern ein wesentlicher Bestandteil der nächsten großen Idee deiner Kundinnen und Kunden.
Junge Zielgruppen wollen sich kreativ beteiligen
Die jüngeren Generationen wachsen als „Digital Native Creators“ auf. Das heißt, sie konsumieren Markengeschichten nicht nur, sie wollen daran teilhaben und sie neu interpretieren (remixen). Sie suchen nach „kreativem Maximalismus“ – und Creator*innen sind die treibende Kraft dahinter.
Ein gutes Beispiel liefert „EPIC: The Musical“, eine moderne Interpretation von Homers „Odyssee“. Der Komponist Jorge Rivera-Herrans besetzte die Rollen durch offene Auditions auf Social Media. Das motivierte die Community so stark, dass Fans Tausende eigener animierter Musikvideos erstellten. Heute gibt es auf YouTube über 50.000 Uploads zu „EPIC: The Musical“.
Das Bedürfnis nach Teilhabe wird zum neuen Standard für Markenrelevanz. Erfolg bemisst sich nicht mehr nur an der Reichweite einer Kampagne, sondern daran, eine Welt zu schaffen, in der deine Community aktiv mitgestaltet.
2026 kannst du das beispielsweise so angehen: Arbeite mit Creatorinnen und Creatorn zusammen, die deine Markenbotschaft für ihre Community übersetzen. Oder gib deinem Publikum die Bausteine – Charaktere, Sounds, digitale Elemente – und lass es die Geschichte selbst erschaffen.
Mit neuen generativen KI-Tools wie Veo 3 können Marken außerdem visuell komplexe, wirkungsvolle Video-Assets in großem Umfang produzieren. Dies schafft ausgeglichenere Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen jeder Größe und setzt gleichzeitig das kreative Potenzial deiner Community frei.
2026 geht es nicht mehr darum, dem Publikum Markengeschichten zu erzählen, sondern stattdessen ganze Welten gemeinsam mit ihm zu erschaffen. So entwickelst du aus flüchtiger Aufmerksamkeit eine echte, tiefe Markentreue.
Der Aufstieg des nostalgischen Remix
Da Konsumentinnen und Konsumenten in unsicheren Zeiten zunehmend Halt und Identität suchen, hat sich Nostalgie von einem Gefühl zu einem zentralen Wirtschaftsfaktor entwickelt. Nostalgische Werbekampagnen steigern die Markenbeliebtheit nachweislich um bis zu 20 Prozent. Die Chance für 2026 liegt daher nicht in simplen Neuauflagen, sondern in der kreativen Neuinterpretation bekannter Markeninhalte.
Im Marketing sehen wir bereits heute einen Anstieg solcher Rückblicke auf die Vergangenheit. Von Backstreet-Boys-Songs in Airbnb-Werbung bis hin zum Luxusmodehaus Louis Vuitton, das zum 20-jährigen Jubiläum eine ikonische Kollaboration neu auflegt.
Das vielleicht eindrucksvollste Beispiel aus diesem Jahr ist die Nintendo-Kampagne für die neue Konsole. Darin kehrte der Schauspieler Paul Rudd in seine Rolle aus einem Werbespot von 1991 zurück. Damit wurde mehr als nur ein Produkt verkauft – es wurde ein Gefühl verkauft. Die Kampagne schlug eine Brücke über 34 Jahre und verband so mehrere Generationen miteinander.
2026 geht es darum, aus alten Erinnerungen neue zu schaffen. So funktioniert es: Finde in den Archiven deiner Marke die stärksten Nostalgie-Elemente, zum Beispiel ein altes Logo, einen klassischen Jingle, ein beliebtes Produkt. Suche dann einen Partner, dessen Marke dieselbe Zielgruppe und Ära anspricht. Und statt alte Werbespots zu recyceln, entwickelt gemeinsam etwas Neues: ein Produkt oder Erlebnis, das frisch wirkt und gleichzeitig vertraut ist.
Die Zukunft der Nachhaltigkeit ist greifbarer Mehrwert
Vage und pauschale Nachhaltigkeitsversprechen? Damit ist 2026 Schluss. Marketer stehen vor einer Herausforderung: Konsument*innen und Regulierungsbehörden fordern Taten. Gleichzeitig kann jeder Fehltritt zu Greenwashing-Vorwürfen führen.
2026 werden sich die Marken durchsetzen, die auf einen klaren Nutzen setzen. Sie verzichten auf allgemeine Phrasen wie „die Welt retten“ und konzentrieren sich stattdessen auf spezifische, messbare Produktvorteile, die einen konkreten nachhaltigen Nutzen bieten – etwa Langlebigkeit oder Energieeffizienz.
Ein Beispiel ist die Kooperation von YouTuberin Emma Winder mit dem Secondhand-Marktplatz Vinted: Anstatt Nachhaltigkeit direkt zu bewerben, stellen sie die konkreten Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer in den Vordergrund – wie Geld zu sparen oder stylische Mode zu finden. Die Videos wurden hunderttausendfach aufgerufen.
Nachhaltigkeit ist damit kein Verzicht oder Luxus, sondern ein klarer, spürbarer Vorteil für die Konsumentinnen und Konsumenten. Das schafft Glaubwürdigkeit, ohne den moralischen Zeigefinger zu heben.