Traditionell blicken Marketingverantwortliche zum Jahresende nach vorn: Welche Trends werden das kommende Jahr prägen? Und wie bereitet man sich am besten darauf vor? Wie bei guten Vorsätzen gilt: Bevor du planst, musst du wissen, wohin du willst. Mehr Umsatz? Höhere Conversions? Stärkere Markenbekanntheit? Definiere klar dein Ziel für 2026.
Doch selbst mit klarem Ziel wird die Planung schwierig: Die rasanten technologischen Fortschritte rund um KI machen Prognosen unsicher. Was gestern galt, muss heute vielleicht schon neu evaluiert werden. Deshalb blicken wir zuerst zurück, bevor wir nach vorn schauen. Wir haben die Entwicklungen des letzten Jahres analysiert und ein klares Muster erkannt:
KI verändert nicht nur einzelne Touchpoints im Marketing, sondern auch die gesamte Customer Journey von der Inspiration bis zum Kauf. Dabei verschieben sich drei fundamentale Dinge.
- WIE Menschen suchen und Informationen finden
- WER für sie Entscheidungen trifft und kauft
- WEM sie dabei vertrauen
Aus diesen drei Verschiebungen haben wir drei konkrete Spielregeln für dein Marketing 2026 abgeleitet.
Regel 1: Denke in Antworten, nicht in Rankings
2025 wurde viel über die Zukunft der Suche diskutiert. Dabei zeigte sich: Sie funktioniert heute anders als noch vor ein paar Jahren. Sie entwickelt sich von einer reinen Ergebnisliste zu einem intelligenten, interaktiven Erlebnis. Anstatt nur Links anzuzeigen, liefern Übersichten mit KI heute direkte, synthetisierte Antworten, wobei Text, Bild und Sprache nahtlos ineinandergreifen.
KI hilft uns heute besser zu verstehen, was Menschen in verschiedenen Phasen ihrer Entscheidungsfindung wirklich suchen – von der ersten Inspiration über die Recherche bis zur konkreten Kaufabsicht. Nutzerinnen und Nutzer beschränken sich dabei nicht mehr nur auf Keywords. Sie formulieren ihre Anliegen zunehmend in ganzen Sätzen, suchen mithilfe von Bildern oder kreisen Inhalte auf ihrem Bildschirm einfach ein, um mehr Informationen zu erhalten. Tools wie der KI-Modus von Google oder Gemini in Chrome fungieren dabei als Begleiter durch die gesamte Customer Journey – ergänzend zu etablierten Kanälen wie der klassischen Suche, YouTube oder Social Media.
Von Rankings zu KI-Antworten
Das Ziel ist nicht mehr nur Platz eins in den Suchergebnissen, sondern auch Teil der KI-Antwort zu sein. Die Herausforderung dabei: Die zugrundeliegenden KI-Modelle arbeiten auf Basis unzähliger Signale, die sich manuell nicht mehr vollständig überblicken lassen.
Das erfordert eine neue Art der Erfolgsmessung. Klassische Kennzahlen wie die Klickrate greifen hier zu kurz. Oft braucht es dafür neue KPIs wie den „Share of AI Voice“, der zeigt, wie präsent eine Marke in KI-Antworten ist. Nur durch kontinuierliches Messen und Testen lässt sich prüfen, ob die Systeme liefern und du deine Marketing-Ziele erreichst.
Der Longtail wird profitabel
Doch KI verändert nicht nur die Messbarkeit – sie eröffnet auch völlig neue Möglichkeiten. Menschen stellen komplexere, spezifische Fragen wie „vegane rote Wanderschuhe für Damen in Größe 39“. Früher war es unmöglich, für jede dieser detaillierten Nischenanfragen passenden Content zu erstellen. Mit KI ändert sich das grundlegend.
KI-gestützte Kampagnen wie Performance Max und AI Max machen es erstmals möglich, diese granularen Anfragen profitabel und skaliert zu bedienen. Sie automatisieren die Anzeigenerstellung in Echtzeit und spielen Botschaften über alle Kanäle aus – von der Suche bis YouTube.
Regel 2: Mache dich bereit für Maschinen als Kund*innen – werde „Agent-Ready“
Wir beobachten eine zunehmende Kluft: Während manche Unternehmen KI noch zögerlich oder gar nicht einsetzen, nutzen andere sie bereits meisterhaft, um effizienter zu arbeiten. Das Fintech-Unternehmen Taxfix etwa setzt auf die KI-gestützte Video-Lösung Veo, um YouTube-Assets zu produzieren. Was früher Wochen dauerte, ist heute in wenigen Tagen erledigt, mehrsprachig und mit hoher Variantenvielfalt.
Wer hier den Anschluss verpasst, wird es künftig schwerer haben. Denn ein echtes KI-Mindset zu entwickeln, ist heute notwendiger denn je – der nächste Sprung steht bereits bevor: Es ändert sich nicht mehr nur, WIE gesucht wird, sondern auch WER künftig sucht und kauft.
Von generativ zu agentisch
Statt nur Inhalte zu erstellen, führt KI zunehmend auch Aufgaben aus. 2026 beginnt das Zeitalter des „Agentic Commerce“. Es geht nicht mehr nur um Chatbots, die Fragen beantworten. Proaktive KI-Agenten handeln für Menschen: Sie planen, buchen und kaufen autonom. Diese Agenten assistieren nicht nur beim Kauf – sie sind die Käufer.
Das erweitert die bisherige Customer Journey: Käufe können künftig über verschiedenste Touchpoints starten – deine eigene Website, den persönlichen KI-Agenten einer Kundin oder eines Kunden, andere Plattformen oder direkt aus der Suche, YouTube oder Social Media heraus. Die strategische Herausforderung: Die Transaktion erfassen, egal wo sie beginnt.
Agent-Ready werden
Unternehmen müssen sich auf eine Realität einstellen, in der auch Maschinen einkaufen. Das erfordert eine neue technische Reife: die „Agent-Readiness“. Konkret bedeutet das, Teil eines Agentic-Commerce-Netzwerks zu werden, in dem Agenten über verschiedene Plattformen hinweg miteinander interagieren können.
Die Basis dafür ist es, dein „digitales Schaufenster“ maschinenlesbar zu machen. KI-Agenten brauchen zuverlässige, strukturierte Echtzeit-Daten. Das geht weit über Preise und Verfügbarkeiten hinaus: Auch unstrukturierte Inhalte wie Expertenbewertungen, Video-Transkripte oder PDF-Anleitungen sind entscheidend. Erst dieser Kontext erlaubt es einer KI, ein Produkt auf eine komplexe Nutzeranfrage hin überhaupt zu empfehlen. Diese Daten müssen über Programmierschnittstellen (APIs) sauber und zugänglich sein, damit die KI sie versteht und für einen Kauf nutzen kann.
Deine Produkte müssen dort verfügbar sein, wo Kaufentscheidungen getroffen werden – ob in der klassischen Suche, in KI-Dialogen, auf YouTube oder über persönliche Agenten von Kund*innen. Das erfordert offene Standards für Zahlungen, Check-out und Agent-Interoperabilität.
Vertrauen ist hier der entscheidende Faktor, und zwar auf zwei Ebenen. Einerseits brauchen die KI-Agenten selbst Vertrauen in die Daten: Sie werden Händler bevorzugen, deren Informationen zu Preisen und Beständen nachweislich zuverlässig sind. Andererseits brauchen die Kund*innen Vertrauen in den autonomen Prozess. Das gelingt nur, wenn für wichtige Entscheidungen oder bei Problemen weiterhin eine menschliche Aufsicht sichergestellt ist.
Deine Rolle als Marketer erweitert sich daher: Statt nur Kampagnen zu managen, wirst du auch zum*zur „KI-Befähiger*in“. Es braucht neue Kompetenzen wie „Agent Ops“-Teams, die steuern, wie Maschinen mit deinem Angebot interagieren.
Regel 3: Investiere in Vertrauen, nicht nur in Content
Wenn KI verändert, WIE Menschen suchen und WER für sie kauft, stellt sich eine entscheidende Frage: WEM vertrauen Menschen in dieser neuen Welt überhaupt noch?
KI hilft uns, effizienter zu arbeiten, doch sie bringt auch eine Herausforderung: Wenn KI jeden „guten“ Content erstellen kann, droht eine Homogenisierungskrise. Je mehr KI-generierte Inhalte entstehen, desto austauschbarer werden sie. Umso wichtiger wird es, mit echter Expertise aus der Masse hervorzustechen – nicht mit austauschbaren SEO-Texten. Der Wert verschiebt sich vom „Was“ (dem Inhalt) zum „Wer“ (der Quelle). Die Beziehung zwischen Marke, Creator und Community wird zum entscheidenden Faktor für Erfolg.
Der Faktor Mensch wird wichtiger
Was KI nicht replizieren kann: Vertrauen, Authentizität und echte Verbindung. Plattformen wie YouTube werden zum Anker für dieses Vertrauen. Eine echte Community aufzubauen und strategisch mit Creatorinnen und Creatorn zu arbeiten, ist kein „Nice to have“ mehr – es ist die Antwort auf Austauschbarkeit. Creator*innen liefern die menschliche Verbindung, die deine Marke einzigartig macht. Unternehmen wie Thomann, L'Oréal oder E.ON zeigen bereits, wie erfolgreich das funktioniert.
Fazit: deine Strategie im Permanent-Beta-Modus
Die drei Regeln greifen ineinander: KI verändert, wie Menschen suchen und Informationen verarbeiten (Regel 1). Sie verändert, wer Kaufentscheidungen trifft (Regel 2). Und genau deshalb wird wichtiger denn je, wem Menschen vertrauen – nämlich anderen Menschen, nicht Maschinen (Regel 3).
Die größte Konstante bleibt die Geschwindigkeit der Veränderung. Deine Strategie muss ein permanenter Test sein. Investiere in drei Bereiche, um für 2026 gerüstet zu sein.
- Technische Infrastruktur: Eine robuste Dateninfrastruktur mit API-Fähigkeiten ist die Grundlage für die Zukunft – von klassischen Kanälen bis zu agentengesteuerten Interaktionen.
- Ganzheitliches Vertrauen: Stärke menschliches Vertrauen durch Communities und Creator-Marketing.
- Neue Kompetenzen: Fördere Fähigkeiten für Generative Engine Optimization (GEO) und das Management von KI-Agenten – ergänzend zu deinen bestehenden Marketing-Kompetenzen über alle Kanäle hinweg.
Doch bei allem Wandel gilt: Verliere dein Ziel nicht aus den Augen. Definiere klar, was du erreichen willst, und miss die Attributionen konsequent, ob deine Strategie funktioniert. Die Tools ändern sich, deine Verantwortung für gute Resultate bleibt.