Beim zweiten APG Speaker Snack im Hamburger Google-Büro war Neil Perkin zu Gast. Der Autor des Buches "Building the Agile Business Through Digital Transformation" erzählt uns im Interview, worauf sich Unternehmen bei der digitalen Transformation fokussieren sollten. Neben einer Erklärung seiner Erfolgsformel "Agilität = (Geschwindigkeit x Fokus x Flexibilität)" betont Perkin, der Prozess der digitalen Transformation müsse die gesamte Organisation eines Unternehmens betreffen.
Think with Google: An der Spitze des Wandels zu stehen, ist entscheidend für das Wachstum eines jeden Unternehmens. Es gibt viele Marketingbücher, in denen beschrieben wird, warum Unternehmen sich der digitalen Transformation stellen müssen. Sehr wenige beschreiben, wie das eigentlich geht. Was war Ihre Motivation, dieses Thema in Ihrem Buch "Building the Agile Business through Digital Transformation" aufzugreifen?
Neil Perkin: Die Antwort darauf liegt in der Frage. Ich arbeite seit fast einem Jahrzehnt im Bereich "Digitale Transformation" und war frustriert darüber, dass es keine praktischen und anwendbaren Modelle gab, die Unternehmen bei der Umsetzung ihrer Transformation unterstützen könnten. Das war meine primäre Motivation. Es war aber auch ein guter Anlass, alle Gedanken und Ideen, die ich im Laufe der Jahre am nützlichsten gefunden habe, zusammenzufassen. Change Management selbst verändert sich, darüber müssen wir uns im Klaren sein.
Sie glauben, dass der neue Unternehmenstyp ein neues Maß an Agilität erfordert, das nur durch die Kombination von drei kritischen Faktoren erreicht werden kann, die in dieser Formel ausgedrückt werden: AGILITÄT = (GESCHWINDIGKEIT x FOKUS x FLEXIBILITÄT). Können Sie uns mehr über dieses Schlüsselkonzept verraten?
Die Rahmenbedingungen, in denen Unternehmen heute operieren, ändern sich schneller als je zuvor. Deshalb müssen wir noch schneller reagieren. Trotzdem ist es wichtig, dass wir verstehen, worum es bei Geschwindigkeit geht: und zwar um Manövrier-, Reaktions- und Anpassungsfähigkeit. Agiler zu werden, ist aber keine Entschuldigung dafür, die Notwendigkeit von Vision, Richtung und Fokus außer Acht zu lassen. Die Strategie selbst muss in der modernen Welt weitaus anpassungsfähiger sein, aber wir brauchen immer eine Richtung, in die wir uns bewegen können. Jeff Bezos fasst es schön zusammen, wenn er sagt, dass wir "starrköpfig in der Vision, aber flexibel in den Details" ('stubborn on vision, but flexible on details') sein sollten. Veränderungen können jedoch nur dann stattfinden, wenn wir über eine Organisationskultur verfügen, die eine Flexibilität ermöglicht, kontinuierliches Lernen, Iteration und größere Fluidität zu entwickeln. Wirkliche Veränderung entsteht durch die Kombination aller drei Faktoren.
Was sind die wichtigsten Rahmenbedingungen oder Faktoren, die den Erfolg der digitalen Transformation eines Unternehmens bestimmen?
Wenn eine überzeugende, positive Vision im Unternehmen fehlt, kann das dazu führen, dass Transformation nicht möglich ist. Die Vision muss gut verstanden und artikuliert werden. Klarheit über die strategischen Initiativen, die den Wandel vorantreiben, muss mit der Verpflichtung einhergehen, neue Arbeitsweisen zu implementieren. Diese wiederum müssen durch das erforderliche Wissen, die Fähigkeiten, die Verhaltensänderung und die kulturellen Voraussetzungen unterstützt werden, um Trägheit zu überwinden und zu einer nachhaltigen Veränderung beizutragen.
Sie sagen, dass echte digitale Transformation nur aus dem kombinierten Imperativ von Kunden- und Mitarbeitererfahrung entstehen kann. Wie funktioniert das in der Praxis?
Zufriedene Mitarbeiter mit enger Kundenbindung schaffen außergewöhnliche Kundenerlebnisse. Letzteres kann Prioritäten für die Transformation setzen und der Organisation einen großen Fokus geben. Es ist jedoch bedeutungslos, wenn Sie Ihre Mitarbeiter nicht mit auf die Reise nehmen.
Viele kleine und mittlere Unternehmen stehen noch am Anfang ihrer digitalen Transformation. Worauf sollten sie sich zuerst konzentrieren?
Ich denke, dass viele der Dinge, die für eine groß angelegte Transformation wichtig sind ‒ wie Vision, Strategie, Prozess und Kultur ‒ für KMUs genauso wichtig sind. Der natürliche Vorteil, den KMUs gegenüber größeren Unternehmen haben, ist eine größere Agilität. Dennoch müssen sie während ihres Wachstums ständig großen Aufwand betreiben, um diesen Vorteil zu schützen.
Was bedeutet digitale Transformation für Sie?
In dem Buch definieren wir die digitale Transformation als "die Neudefinition von Ressourcen, Prioritäten und Prozesse eines Unternehmens, um für die eigenen Aufgaben in einer zunehmend digitalisierten Welt fit zu sein". Diese Definition bezieht sich auf Clay Christensens Denkweise, die sich gegenseitig ausschließenden, aber kollektiv-erschöpfenden Fähigkeiten einer Organisation zu verstehen. Der Schlüssel ist, dass sich die digitale Transformation nicht nur auf die kundenorientierten Funktionen auswirkt ‒ sie ist horizontal und erstreckt sich über das gesamte Unternehmen und berührt alle Funktionen.
Wo sehen Sie Potenziale, die viele Unternehmen noch nicht erkannt haben?
"Agil" wird schnell zu einem überstrapazierten Wort im Geschäftsleben, aber viele Unternehmen haben noch immer ein relativ schlechtes Verständnis dafür, was es wirklich bedeutet. Agil ist mehr als ein Prozess, es ist eine Kultur. In der Anwendung müssen wir bedacht sein, es ist nicht für alle Bereiche passend. Wir sollten erkennen, dass wir nicht nur agil handeln, sondern auch agil sein müssen. Ich denke, Unternehmen haben das weitgehend leider noch nicht verstanden.
Mehr zu Neil Perkin findet ihr auf seinem Blog unter http://www.onlydeadfish.co.uk/.
Über den APG Speaker Snack
Der APG Speaker Snack wird gemeinsam von der Account Planning Group Deutschland (APGD) und Google veranstaltet. Das neue Format lädt Mitglieder des APG sowie deren Kunden zu hochkarätigen Vorträgen, einem regen Austausch und Networking ein. Der nächste Speaker Snack findet im Februar 2018 statt. Als Gast wird Simon Summerscales, Chef-Stratege bei der Kreativ-Agentur 72andSunny, erwartet.